Weihnachtskonzert 2018

von Christoph BruecknerAktuelles0 Kommentare

Ein schlichter, ganz in weiß gehaltener Kirchenraum – keine barocke Pracht, keine architektonischen Spielereien, keine künstlerischen Raffiniertheiten: So lässt sich die Heilig-Geist-Kirche in Recklinghausen Essel beschreiben. Am Abend des 18.12.2018 hielten hier jedoch genau diese Dinge Einzug – die Musiker des Willy-Brandt-Gymnasiums sorgten für barocke Klänge, musikalische Spielereien und gesangliche Raffinesse. Den Anfang machte das Orchester unter der Leitung von Laura Biermann. In diesem Jahr bestanden die Oer-Erkenschwicker Philharmoniker aus zwei Querflöten, einem Saxofon, drei Geigen und Keyboards, zwei Xylophonen, zwei Schlagwerkerinnen und einem Klavier. Weihevoll ging es los mit dem Te Deum von Marc-Antoine Charpentiers – vielen bekannt als Eurovisions-Hymne („Hömma, is dat nich dat Stück, dat die immer vor Wetten, dass…? gespielt ham?“). Nach diesem barocken Auftakt wurde es humorvoll. Der Titel Rocking Around the Christmas Tree verhieß modernes Repertoire. Doch nach den ersten Takten waren sich die Zuhörer einigermaßen sicher: „Aber das ist doch O Tannenbaum!“ (findige Linguisten konnten wohl schon hier den Zusammenhang erahnen). Als dann bei der Wiederholung des Refrains die Musiker ein wenig ins Stocken gerieten, stockte wohl auch bei einigen Zuhörern der Atem. Dabei gab es keinen Grund zur Beunruhigung. Die vermeintliche Unsicherheit war nur der Aufhänger für eine musikalische Pointe: Denn jetzt ertönte endlich die eingängige Melodie des bekannten Weihnachtsoldies. Rhena Schütz (Q2) bestach hierbei mit eigens für sie komponierten jazzigen Saxofon-Soli. Auch in diesem Jahr bereitete der WBG-Klangkörper dem Weihnachtskonzert einen Auftakt mit Spaß!

Der Mittelstufenchor unter der Leitung von Sascha Lippke betrat als nächstes den Chorraum – verstärkt durch einige Männerstimmen aus der Oberstufe. Man begann inbrünstig mit dem rhythmisch drängenden Lied The Light of Glory. Rhythmisch interessant ging es auch weiter im nächsten Beitrag. In der Bearbeitung des Evergreens Jingle Bells durch Russell L. Robinson steht das Lied im ungewöhnlichen 5/4 Takt – eine wirkungsvolle Frischzellenkur für das unvermeidlichste aller Weihnachtslieder. Auch harmonisch hielt das Lied einige Überraschungen bereit. Ein plötzlicher Tonartwechsel bildete eine gesangliche Herausforderung in diesem zweistimmig vorgetragenen Stück – doch die Lippke-Schützlinge nahmen die musikalischen Hürden allesamt mit Bravour und wurden mit reichem Applaus belohnt.

Der Vokalpraktische Kurs der Q1 begann seinen Auftritt mit einer Neufassung des Kirchenlieds Licht nach dem Dunkel von der jungen österreichischen Arrangeurin und Sängerin Julia Maier. Den Solopart übernahm Burcin Alican (Q1). Ihr wunderbar melancholischer Vortrag konnte nachdenklich stimmen – eine Wohltat in der oft so hektischen Zeit vor Weihnachten. Es ging im adventlichen Geist weiter mit dem traditionellen englischen Weihnachtslied O Holy Night und dem Lied This I Pray von der christlichen Liedermacherin Heather Sorenson. Dieses Stück mit einer wunderschönen Solopartie von Luna Mattheis rundete den gefühlvollen Auftritt der Oberstufenschüler ab.

Als nächstes wies das Programm zwei Solobeiträge von Burcin Alican aus mit Liedern von Rihanna (Stay) und Mariah Carey (All I Want Is Christmas). Im Normalfall würde wohl jeder Musiklehrer einer jungen Solistin abraten, sich derart anspruchsvolle Lieder von so stimmgewaltigen Popdiven vorzunehmen. In diesem Fall sind solche Sorgen gänzlich unangebracht. Burcin bringt neben einer phantastischen Stimme, die manchmal an Amy Winehouse erinnert, bereits eine solche Ruhe mit, dass sich auch Musiklehrer zurücklehnen und genießen können. Nach dem hinreißend vorgetragenen Rihanna-Hit folgte eine temperamentvolle Darbietung des Weihnachtsschlagers von Mariah Carey. Ein wunderbarer Auftritt unseres WBG-Stimmwunders!

Mit Clara Könen folgte ein weiteres Ausnahmetalent. Dass Könen von ‘Können’ kommen muss, hat unsere Harfenistin schon viele Male bewiesen und auch in diesem Jahr stellte ihr Auftritt einen Höhepunkt dar. Wohltemperiert ging es los mit samtweichen Klängen von Bach. Das sich anschließende Stück eines zeitgenössischen französischen Harfenisten (Cannelle von Bernard Andrés) erwies sich als kontrastreicher Beweis der Vielseitigkeit dieses wundervollen Instruments (Wer hätte gedacht, dass sich die Harfe auch als Trommel verwenden lässt?). Auch in diesem Jahr hat Clara Könen dem Weihnachtskonzert besondere Momente geschenkt.

Der von Herrn Lippke geleitete Oberstufenchor wartete im Anschluss mit einer originellen Version von Santa Claus Is Coming To Town auf, welche effektvoll Männer- und Frauenstimmen gegenüberstellte. Fast neckisch ging es dann weiter mit dem Klassiker Sleigh Ride von Leroy Anderson. Das sich anschließende Lied The Star aus dem gleichnamigen 2017 erschienenen Weihnachtsfilm bewies, wie zeitlich nah die Musiklehrer des WBG am aktuellen Musikgeschehen sind.

Es folgten die Broken Stereos, deren Auftritte mittlerweile integraler Bestandteil des Schullebens sind. Die engagiert von Constantin Hellmons betreute Combo wurde instrumentell noch verstärkt und hat mit dem Saxofonisten Maximilian Nußbaum eine weitere Facette hinzugewonnen. Gleich im ersten Stück konnte das Saxofon mit einem Solo begeistern. Den rotnasigen Rudolph aus dem gleichnamigen Lied brachte Maximilian mit seinem energiegeladenen Spiel gehörig auf Trab und das Duett von Amelie Kantak und Lukas Utech frischte den Gassenhauer spürbar auf. Auch den Song Rockin‘ around the Christmas Tree unterzogen die Schüler einer Generalüberholung und die Country-Elemente und Amelies Solo sorgten für ein runderneuertes Hörerlebnis. Zum Abschluss performte Lukas Utech noch einen von ihm selbst geschriebenen Song. Der Titel Find Myself in You ist eine wunderbar träumerische Nummer, die an die besten Zeiten des Britpop der 90er Jahre erinnert. Nur gut eine Woche nach seinem Sieg beim Clubraum-Wettbewerb für Nachwuchsmusiker zeigte Lukas auch auf dem Weihnachtskonzert, was er alles auf dem Kasten hat. Wir sind sicher: Da kommt noch mehr!

Wohlklingend eröffneten unsere I Dolci ihren Beitrag mit einer Darbietung des Beach Boys Hits Little Saint Nick. Die Veteraninnen Johanna Plog und Antonia Schmid aus der Q2 glänzten mit Solopartien. Im walisischen Weihnachtslied Deck the Halls wird der Zuhörer aufgefordert, in der Weihnachtszeit die Häuser und Wohnungen der Menschen gemäß einer uralten Tradition mit Stechpalmen (‚hollies‘) zu schmücken. Im Gegensatz zur botanischen Realität, war die von den I Dolci zu Gehör gebrachte Stechpalme jedoch überhaupt nicht stachelig. ‚Butterweich‘ wäre ein Attribut, welches sich eher zur Beschreibung des Klangs unseres musikalischen Aushängeschildes anböte. Gutgelaunt und bes(ch)wingt beschloss das Lied A Holly Jolly Christmas den Auftritt der neun Mädchen. Wir sind Willi Gertz für sein anhaltendes Engagement für die Musik an unserer Schule zu großem Dank verpflichtet!

Das zehnköpfige Vokal-Ensemble unter der Leitung von Stefan Burchhardt bot den abschließenden Beitrag des diesjährigen Weihnachtskonzerts. Trotz der fortgeschrittenen Stunde konnte das Christmas Lullaby (‚weihnachtliches Schlaflied‘) von John Rutter keine ermüdende Wirkung entfalten. 2fellos wäre es auch ein Akt des Banausentums, den Auftritt des musikalisch exquisiten Vokal-Ensembles zu verschlafen. Im nächsten Lied erkannten wohl viele Zuhörer eine Melodie aus dem Filmklassiker Kevin allein zu Haus. Jeder, der diese Komödie gesehen hat, wird sich an die vielen schmerhaften Erfahrungen der Banditen Harry und Marv erinnern. Die Anzahl schmerzhafter disharmonischer Töne lag beim Auftritt der Schützlinge von Stefan Burchhard hingegen bei: 0. Ja, das harmonisch hoch anspruchsvolle Werk von John Williams war Balsam für die Seele. Das Gleiche gilt für das traditionelle englische Weihnachtslied The First Noel, welches das 1. Weihnachtsfest vor 2000 Jahren in Palästina zum Thema hat. Kurzum das Vokal-Ensemble bot auch in diesem Jahr große Kunst.

Das gemeinsam von allen Teilnehmern und Zuhörern geschmetterte Tochter Zion bildete wie immer den Abschluss des Konzerts, der vielen Menschen in der Heilig-Geist-Kirche ein beglücktes Lächeln ins Gesicht zauberte: O! wie l8!

P.S. Der aufmerksame Leser dieser Zeilen hat wohl gemerkt, dass einige Buchstaben durch das Schriftbild hervorgehoben sind. Dies betrifft jeweils den Anfangsbuchstaben eines Adjektivs pro dargebotenem Stück und vier Ziffern in den letzten beiden Absätzen. Werden diese Buchstaben aneinandergereiht, ergibt sich ein Lösungswort. Lösungsvorschläge ergehen bitte an den Herausgeber des Jahrbuchs. Zu gewinnen ist eine Freikarte für ein beliebiges Weihnachtskonzert im nächsten Jahr. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Christoph Brückner