Das hier vorzustellende Fach ist zugleich ein normales und ein besonderes Lernangebot in der Gymnasialen Oberstufe. Als dritte Wahlmöglichkeit innerhalb des sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfelds gibt es neben Kunst und Musik das Fach Literatur, das am Willy-Brandt-Gymnasium in zwei fortlaufenden Halbjahren der Q1 mit drei Wochenstunden angeboten wird.
Das Fach Literatur ist ausgerichtet auf eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung im Rahmen kulturell-ästhetischer Bildung der Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe II. Die Bezeichnung „Literatur“ weist darauf hin, dass Texte in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen im Mittelpunkt des Unterrichts stehen.
Der Schwerpunkt der fachlichen Arbeit liegt im gestalterischen Umgang mit Texten, nicht in der analytischen Auseinandersetzung mit ihnen. Hierbei wird von einem erweiterten Textbegriff ausgegangen. Unter „Text“ wird alles zeichenhaft Vermittelte, das in mündlicher, schriftlicher, körpersprachlicher oder medialer Gestaltungsform zum Ausdruck kommen kann, subsumiert. Aus dem erweiterten Textbegriff ergibt sich ein erweiterter Literaturbegriff, der auch der Kursbezeichnung „Literatur“ zugrunde liegt. Ausgangspunkt, Zwischenprodukt und Resultat der Literaturkurse sind also Gestaltungen in verbaler, nonverbaler oder medialer Form.
Schon mit dem Beginn der Einführung des Faches in den gymnasialen Oberstufen des Landes NRW wurden in den Lehrplänen die drei Bereiche „Schreiben“, „Theater“ und „Medien“ vorgegeben. Grundsätzlich wird in Projekten gearbeitet, die von Lehrgängen umgeben sind. Durch eine spezifische Prozess- und Produktorientierung leisten Literaturkurse in den Bereichen Schreiben, Theater und Medien (insbes. Film) einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, sich gestalterisch mit Wirklichkeit auseinander zu setzen, vorgefundene ästhetische Produkte umzugestalten und Gestaltungsergebnisse zu präsentieren.
Im Fortgang der Unterrichtsarbeit werden fachübergreifend erworbene kommunikative, methodische und soziale Fähigkeiten erweitert (etwa: kriteriale und faire Bewertung eigener und fremder Produkte; gezielte Methodenschulung im Bereich des Planens von Gestaltungen und des Feedback-Gebens in der Gruppe; Erweiterung von fachsprachlichen Fähigkeiten zur intersubjektiven Begründung von Güte-Ansprüchen etc.)
Im Literaturkurs kommt der Kreativität eine besondere Bedeutung zu. Dabei wird
„Kreativität“ verstanden als Fähigkeit, neues Denken, Empfinden und Handeln anzustoßen und zu entfalten. Bei der Entwicklung literarischer Äußerungsformen der Wortsprache, der Körpersprache und der Bildsprache geht es gem. Lehrplan vor allem um die Erschließung von Mitteilungsmöglichkeiten, die die Schülerinnen und Schüler bislang nicht oder wenig genutzt haben. Kreatives Arbeiten, das in anderen Schulfächern häufig zu kurz kommt, soll im Rahmen der Literaturkurse initiiert und entwickelt werden. Das fördert bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Offenheit für unbekannte Gestaltungsverfahren und Beweglichkeit in deren Anwendung.
Die durchgängige Prozess- und Produktorientierung und deren Verknüpfung mit dem Prinzip der Projektarbeit bietet den Schülerinnen und Schülern eine Lernumgebung, die sie in besonderer Weise mit den Grundsätzen und Formen selbstständigen Arbeitens vertraut macht. In der Regel werden Ergebnisse der Literaturkursarbeit öffentlich gemacht, weshalb Literaturkurse auch einen wertvollen Beitrag zur Schulkultur leisten.
Am Willy-Brandt-Gymnasium wurden in den vergangenen Jahren jeweils alle drei Schwerpunkte, nämlich SCHREIBEN, THEATER und MEDIEN schwerpunktmäßig angeboten. Für die „Projektartigkeit“ des Arbeitens selbst war es nahe liegend, dass die Lerninhalte phasenweise auch in integrierter Form erarbeitet wurden. So ging es im Schuljahr 2015/16 beispielsweise darum, bei der Schwerpunktsetzung im Bereich SCHREIBEN für kleinere oder größere Schreib-/Gestaltungsprodukte zu medial ansprechenden Formen der Präsentation und zu kleinen „Inszenierungen“ zu gelangen, theatralische Sprechweisen selbst zu erproben und bei einem Theaterbesuch als besondere Verstehensdimension wahrzunehmen. Auch in den anderen Unterrichtsthemen wurden Rezeption und Produktion jeweils direkt aufeinander bezogen.
Dem Besuch eines modernen „sprachexperimentellen Stücks“ über das Schicksal Kasper Hausers und über die Bedeutung von Sprache ging voraus, dass im Unterricht durch eigene Sprechgestaltungsübungen eine Sensibilität für die schauspielerische Sprech-Leistung und die Wirkungen von Sprache entwickelt wurde. Vorbereitend wurden eigene kleine Lautexperimente – angeregt durch die Rezeption von Beispielen aus der Konkreten Poesie (Laut-/Klaggedichte) – vorgestellt. Die im Anschluss erstellten Theaterkritiken wurden durch Aushang im Schulgebäude präsentiert. Auf der Basis der Beschäftigung mit visuell auffällig gestalteten Beispielen aus der konkreten Poesie wurden eigene Wort- und Schriftbilder angeregt. Durch ein umfangreich angelegtes Schreib-Projekt mit dem Thema „Schreiben – Schriften – Schreiben lernen“ konnte biographisches Lernen und die Auseinandersetzung mit Schreib-/Druckschrift im persönlichen und öffentlich-medialen Gebrauch erfolgen (s. Ausstellung von handschriftlich dargebotenen eigenen Texten im Gesamtgebäude). Wie man Persönliches im Essay und im Interview darstellen kann, wurde reflektierbar, als zwei vorgegebene Textbeispiele ins jeweils andere Format umzusetzen waren. Schließlich haben kleinere Gestaltungen zu einer Dramenadaption (Vorlage: surreales Mini-Drama) die Chance geboten, sie in filmischer oder szenischer Form zu erproben, während das Weiterschreiben zu surrealen Erzählanfängen darauf angelegt war, die Ergebnisse vorlesend und als kreativ gestaltete Textsammlung (Vorlesemappe für jüngere Schüler/innen) zu präsentieren.
Die verschiedenen Kursinhalte haben üblicherweise jeweils ein Gesamtthema; Entscheidungsoptionen zu Teilthemen und ihren Gestaltungen werden zu Beginn der Arbeit transparent gemacht – besonders auch im Hinblick auf Schüleraktivierung bzw. Planungsbeteiligung. Alle entstandenen Produkte werden der kriterialen Bewertung durch die Kursmitglieder ausgesetzt. Die durch die Unterrichtenden abschließend erteilten Noten werden durch regelmäßiges Sichten/Bewerten von Kursmappen bzw. Portfolios und natürlich der Produktionen selbst sowie durch die Beurteilung der laufenden Mitarbeit im Plenums- und Gruppenunterricht untermauert.
Für das Fach Literatur in der Gymnasialen Oberstufe gibt es einen neuen – kompetenzorientierten – Kernlehrplan, der seit dem Schuljahr 2015/16 in Kraft ist.