von Inga Lowens und Julia Bobrzyk
Manch einen mag es wundern, aber der Namensgeber unserer Schule, Willy Brandt hatte einen direkten Bezug zu unserer Stadt. Während seiner Zeit als Politiker besuchte er gleich drei Mal Oer-Erkenschwick.
Sein erster Besuch, damals als Regierender Bürgermeister von Berlin, fand am 27. Mai 1961 statt. Aus Marl kommend und Datteln als nächstes Ziel bereits im Hinterkopf, nahm er sich eine Stunde Zeit. Zunächst wurde er an der Stadtgrenze vom damaligen Bürgermeister, Willi Winter, in Empfang genommen und mit einem Autokorso in die Stadt geleitet [Foto rechts oben]. Anschließend besichtigte er den zu jener Zeit neuen Berliner Platz und sprach dort zu den etwa 3000 versammelten Bürgern [Fotos rechts].
In seiner Rede legte er Wert darauf, nicht als Kanzlerkandidat der SPD, sondern als Regierender Bürgermeister Berlins zu sprechen. So legte er das Verhältnis Berlins zur Bundesrepublik und zur gesamten Welt dar, bevor er sich speziell auf die Bergarbeiterstadt Oer-Erkenschwick bezog. Die Namensgebung des Berliner Platzes lobte er als wichtiges Treuebekenntnis der Stadt zu Berlin.
Neben dem Rahmenprogramm, das sich um 50 Minuten verzögerte, hatte der Besuch Willy Brandts aus heutiger Sicht einige Kuriositäten zu bieten. So wurden beispielsweise die Geschäfte rund um den zentralen Platz gebeten, ihre Schaufenster für die Zeit des Aufenthalts des Regierenden Bürgermeisters nur mit Berliner Produkten zu bestücken. Es wurden Berlin-Flaggen gehisst, auch für musikalische Begleitung durch die „Bergkapelle“ und den „Tambourkorps Seeadler“ war gesorgt. Zudem wurde eigens eine Fußmatte für die Steinunterlage des Podiums angeschafft!
Heute kaum vorstellbar: Für den Besuch des prominenten Politikers wurden aus dem Haushalt der Stadt nur 800 D-Mark bereitgestellt. Darin enthalten waren 500 D-Mark als Spende für die Berliner Ferienkinderaktion. Die Organisation und Ausführung schlugen also nur mit 300 D-Mark zu Buche, darunter 6,66 DM für einen Strauß roter Nelken, der Brandt überreicht wurde.
In seiner Rede kündigte Willy Brandt an, die Stadt erneut besuchen zu wollen. Dieses Versprechen machte er einige Jahre später, in den Jahren 1966 sowie 1972 bereits als Bundeskanzler, tatsächlich wahr. Im Oktober 1992 verkündet die Stimberg-Zeitung dann den Tod des SPD-Ehrenvorsitzenden und Träger des Friedensnobelpreises. Zwei Jahre später gab es erneut etwas zu berichten: Das 1979 gergündete Städtische Gymnasium Oer-Erkenschwick nannte sich auf Vorschlag der Schüler fortan Willy-Brandt-Gymnasium! Bei der Feier zur Namensgebung hielt Peter Brandt, Sohn von Willy Brandt und Professor für Geschichte, den Festvortrag. In seiner Rede führte er aus, „dass Willy Brandt andere Auffassungen in einem Maß respektierte, wie ich es selten erlebt habe; und die echte Überzeugung junger Menschen achtete er nicht weniger als die durch Lebenserfahrung geläuterte…“ In dieser und in anderen Hinsichten ist der Name „Willy-Brandt-Gymnasium“ eine gute Wahl, nicht nur als Erinnerung an einen herausragenden Politiker, sondern auch als Ansporn und Herausforderung für die tägliche Arbeit und das Miteinander an unserer Schule!
Inga Lowens und Julia Bobrzyk haben diesen Text im Rahmen des Geschichte-Zusatzkurses von Herrn Nolte erarbeitet, dazu werteten sie Material aus dem Stadtarchiv Oer-Erkenschwick aus.