Willy Brandt – Biographie unseres Namenspatrons

Schulanfänger, 1920

Schulanfänger, 1920 [1]

Kindheit und Jugend in Lübeck (1913 – 1933)

Am 18. Dezember 1913 wurde Willy Brandt unter dem Namen Herbert Frahm in Lübeck geboren. Weil er ein uneheliches Kind war und seinen Vater nie kennenlernte, wurde er größtenteils von seinem Großvater aufgezogen. Dieser war SPD-Mitglied und prägte ihn bereits früh in seinen politischen Ansichten. Frahm wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, wegen seiner Begabung erhielt er jedoch ein Stipendium für ein Lübecker Gymnasium. Mit 16 Jahren trat er der SPD bei. Ab 1931 engagierte er sich in der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), da er der Auffassung war, die SPD vertrete ihre Ziele nicht kämpferisch genug.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 floh Herbert Frahm nach Norwegen, da ihm aufgrund seines politischen Engagements die Verhaftung drohte. Dort benutzte er verschiedene Decknamen, unter anderem den Namen Willy Brandt.

Die Zeit im Exil und die Rückkehr nach Deutschland (1933-1947)

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Willy Brandt, Abi 1931 [2]

In Oslo betätigte sich Willy Brandt in der Arbeiterpartei Norwegens (DNA). Hauptberuflich arbeitete er als Journalist und informierte über die NS-Diktatur. Ein Geschichtsstudium brach er ab, um sich voll der Politik widmen zu können. Auch während seiner Zeit im Exil arbeitete er für die SAP und unternahm in ihrem Auftrag geheime Reisen, unter anderem nach Frankreich, Spanien und Berlin.

1938 erkannten ihm die Nazis die deutsche Staatsbürgerschaft ab, er geriet sogar in deutsche Gefangenschaft, wurde aber von den Soldaten nicht erkannt. Nach der Entlassung floh er nach Schweden, wo er im Jahr 1940 von der norwegischen Exilregierung die norwegische Staatsbürgerschaft erhielt.

1944 wandte sich Willy Brandt von der SAP und ihren Positionen ab, um der SPD beizutreten.
Nach Kriegsende kehrte er nach Norwegen zurück. Dort lernte er seine spätere Frau Rut kennen, für die er seine erste Frau Carlota verließ. Mit Rut bekam er später drei Söhne.

Seine endgültige Rückkehr nach Deutschland erfolgte 1947, in Berlin fand er eine neue politische Heimat. Im darauffolgenden Jahr wurde er wieder deutscher Staatsbürger und nahm offiziell den Namen Willy Brandt an, 1949 zog er als Vertreter Berlins in den ersten Deutschen Bundestag ein.

Regierender Buergermeister von Berlin Willy Brandt vor dem Brandenburger Tor, Berlin, Portrait + 1958

Regierender Buergermeister von Berlin Willy Brandt vor dem Brandenburger Tor, 1958 [3]

Willy Brandts Zeit in Berlin. Brandt in der Bundespolitik (1948-1966)

Im Jahre 1957 gewann Willy Brandt die Wahl zum Regierenden Bürgermeister von Berlin. In diesem und dem folgenden Jahr fungierte er als Vorsitzender des Bundesrates. In dieser Zeit musste er sich mit verschiedenen nationalen und internationalen Konflikten wie dem Ungarischen Volksaufstand, der zweiten Berlin-Krise und dem Mauerbau befassen. Als Vertreter der Interessen Deutschlands und vor allem Berlins gewann er an internationalem Ansehen, da er entscheidend zur Entspannung der Situationen beitrug.
1964 übernahm er den Bundesvorsitz der SPD. Seine erste und zweite Kanzlerkandidatur scheiterten, er unterlag Konrad Adenerauer (1961) und Ludwig Erhard (1965). Die Position des Regierenden Bürgermeisters hatte Brandt bis 1966 inne, ehe er als Außenminister nach Bonn in die Bundesregierung der großen Koalition unter Kanzler Kiesinger berufen wurde.

Brandt als Bundeskanzler (1969-1974)

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Foto: Stadtarchiv

Willy Brandts dritte Kanzlerkandidatur im Jahre 1969 war schließlich erfolgreich. In einer Koalition von SPD und FDP wurde er der erste sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Seine Kanzlerschaft war gekennzeichnet durch eine gesellschaftspolitische Liberalisierung, er stand für die Losung „Mehr Demokratie wagen“ und für eine neue, offene Ostpolitik. So trug er entscheidend zur Entspannung des Verhältnisses zu den Ostblockstaaten sowie zur DDR bei.
Im Rahmen der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags am 7. Dezember 1970 bekundete der Politiker auf bis heute berühmte Weise Demut und Bitte um Vergebung für die Verbrechen des zweiten Weltkriegs: Stellvertretend für Deutschland fiel der Bundeskanzler in Warschau vor dem „Ehrenmal der Helden des Ghettos“ auf die Knie. Als Anerkennung seiner Ostpolitik erhielt er 1971 den Friedensnobelpreis.
Im April 1972 scheiterte ein Misstrauensvotum gegen Brandt knapp, bei den Bundestagswahlen im November wurde er noch einmal im Amt bestätigt und regierte weiter in einer Koalition von SPD und FDP. Im Frühjahr 1974 nahm Willy Brandts Kanzlerschaft ein abruptes Ende. Es stellte sich heraus, dass sein Referent für Parteiangelegenheiten, Günter Guillaume, als Spion fungierte und vertrauliche Dokumente an die DDR weitergegeben hatte. Brandt sah sich zum Rücktritt gezwungen. Anfang Mai erklärte er, die Verantwortung „für Fahrlässigkeiten innerhalb der Bundesregierung“ zu übernehmen.

Die Zeit nach dem Rücktritt (1974-1992)

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Willy Brandt am Brandenburger Tor, 1989 [4]

Das Ende seiner Kanzlerschaft hinderte Willy Brandt nicht daran, weiterhin an führender Stelle politisch aktiv zu sein. Er führte weiter als Parteivorsitzender die SPD, zudem etablierte er sich immer stärker in der internationalen Politik. So unterstützte er als Präsident der Sozialistischen Internationale (SI) den demokratischen Sozialismus, ebenso engagierte sich für die jungen Demokratien in Spanien und Portugal. Auch die Entwicklungspolitik lag ihm am Herzen, so war er Vorsitzender der 1977 gegründeten Nord-Süd-Kommission, die sich für eine neue Weltwirtschaftsordnung engagierte. Selbst ein Herzinfarkt 1978 führte nicht dazu, dass er kürzer trat. Stattdessen zog er 1979 in das erstmals direkt gewählte Europäische Parlament ein.

Die erste Hälfte der 1980er Jahre war stark bestimmt durch das atomare Wettrüsten zwischen den  USA und der UdSSR. Brandt nahm in dieser Zeit an Friedensdemonstrationen teil und warnte vor einer weiteren Aufrüstung. Nachdem er 1987 als Parteivorsitzender zurückgetreten war, wurde er zum Ehrenvorsitzenden der SPD ernannt.
Mit Blick auf die DDR hielt er am Status Quo mit zwei souveränen Staaten auf deutschem Boden fest. Den Fall der Berliner Mauer sowie den Sturz der kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa sah Brandt positiv, einer Wiedervereinigung aber stand er mit gemischten Gefühlen gegenüber.
Eine zu spät erkannte Darmkrebserkrankung führte 1992 zu einem Rückzug aus der Öffentlichkeit. Am 8. Oktober diesen Jahres starb Willy Brandt, seine Beisetzung fand im Rahmen eines Staatsakts in Berlin statt.

Wir danken der Bundeskanzler Willy Brandt Stiftung für die Bereitstellung der Fotos [1-4] und für die Genehmigung ihrer Verwendung auf unserer Homepage.